ALTES  PFARRHAUS   BEVENRODE

   

Ein schönes , sehr kostenaufwendig restauriertes Fachwerkhaus

in einem Dorf  am nördlichsten Rand Braunschweigs,

was ist daran  Besonderes...?

 

" Man sieht nur , was man weiß " , schrieb einmal klug der DuMont - Verlag über seine

Kulturreiseführer. Und so ist es auch hier in Bevenrode mit dem Alten Pfarrhaus.

Deshalb hier einige Erklärungen :

der Unterschied von Stadt und Dorf war vor 200 Jahren bedeutend größer als heute ,

in der Stadt Braunschweig wurden damals das " Vieweg-Haus " am Burgplatz  ( heute

Landesmuseum ) und das Haus "Salve Hospes" gebaut ,

in Bevenrode wohnte man zur gleichen Zeit in meist sehr niedrigen, dunklen, unsauberen Bruchbuden, die

 heute als "Niedersachsenhaus" ( niederdeutsches Hallenhaus)

romantisch verklärt werden  , unter einem Dach mit den Tieren  (daher: Haustiere ) .

Als das alte Pfarrhaus im Jahr 1800 abgebrannt war, wollte man mit dem neu zu errichtenden

auch ein Vorbild schaffen, an dem die Bauern Maß nehmen konnten.

Der Pfarrer war ja damals nicht nur Seelsorger, sondern auch Standesbeamter, Schulaufseher,

Verkünder der staatlichen Gesetzgebung und auch Lehrmeister in Sitte, Hygiene , Ackerbau

und Viehzucht und schließlich selbst auch Bauer , da sein karges Gehalt allein zum Leben

nicht ausreichte. So sollte also auch sein neues Wohnhaus vorbildlich sein.

Es fehlte allerdings der Pfarre , so  groß sie auch war , denn sie umfasste zusätzlich noch

Waggum, Bienrode und Bechtsbüttel  ( früher hatte sie bis zur Schunter in Querum gereicht !),

das nötige Geld, sodass man einen Kompromiss finden mußte.

Für einen separaten Viehstall reichte es nicht,  man musste dann doch auf ein einheitliches

Wohn-/Wirtschaftsgebäude zurückgreifen . Aber zweistöckig sollte es wenigstens

sein und großzügig bemessen und klassizistisch streng in der Ausführung und modern

irgendwie auch .

Also baute man nach Art des niederdeutschen Hauses eine Längsdiele mit dem links und

rechts aufgestellten Vieh und einem schönen großen Dielentor im Giebel , aber der Haupt-

eingang lag auf der Längsseite , führte in eine repräsentative ( Quer-) Diele , über der sich

ein größerer Raum für die Unterrichtung der Konfirmanden befand und die Pastorenfamilie

wohnte in zwei Stockwerken im danebenliegenden Bereich.

Das Ganze sah schon bedeutend besser aus als die Bauernhäuser im Ort damals !

Vielleicht hat es sogar den erwünschten Vorbildcharakter gehabt, denn nach und nach

wurden die alten Bauernhäuser abgerissen und durch neuere, modernere ersetzt, sodass

man heute sogar das Umgekehrte sagen könnte : das Alte Pfarrhaus ist  das älteste

Wohngebäude im Dorf  und weist eher zurück in die Vergangenheit , als in die Zukunft.

Nach dem Umbau im Jahr 2001/2002  hat das Haus in seiner neuen Doppelfunktion

jedoch wiederum eine in die Zukunft gerichtete Rolle erhalten:

Einerseits bietet es komfortablen  Wohnraum mit historischem Bezug in einzigartiger

dörflicher Umgebung ,  andererseits werden einer zwar wachsenden , aber gesellschaftlich

immer mehr verarmenden Stadtrandgemeinde gemeinsame Raumnutzungsmöglichkeiten geschaffen - beides heutzutage sehr aktuelle Bedürfnisse !

 

Bei all diesen Gedanken wurde mein Respekt vor dem   ALTEN PFARRHAUS

in Bevenrode immer größer !

 

Heiner Waßmuß , Ortsheimatpfleger in Bevenrode                                  8.September 2002