Bevenrodeonline                                 

 

Herbert Wisotzki - Der erste und einzige Bevenroder Dorfpolizist    

 

Bei dem Namen Wisotzki denkt man in unserer Gegend schnell an einen Notruf. Heizung kaputt mitten im Winter? Wasserrohr geplatzt und alles überschwemmt? Die Firma Wisotzki. - Wasser. Wärme. Wohnen.- ist seit vielen Jahren bekannt, gegründet wurde sie von Norbert Wisotzki in Waggum, jetzt fortgeführt von seinem Sohn Michael in Bienrode.

Aber alte Bevenroderinnen und Bevenroder verbinden den Namen Wisotzki mit einem ganz anderen Notruf, denn Herbert Wisotzki (der Vater von Norbert) war der erste und einzige Dorfpolizist in Bevenrode und wurde in ganz anderen Notfällen gebraucht.

Herbert Wisotzki ist 1922 in Breslau/ Schlesien geboren. Kaufmannsgehilfe war sein erster Beruf, bevor er am 19. 1.1940 mit 17 Jahren zur Wehrmacht eingezogen wurde und zur Luftwaffe kam. Stationiert war er in der bayrischen Stadt Neuburg/Donau, die auch heute noch Garnisonsstadt für das Taktische Jagdgeschwader 74 ist. Er wurde Bordschütze in einer Messerschmidt ME 410, die als Aufklärer und Nachtjäger flog.

Im Besitz der Familie Wisotzki ist die Zeitschrift „Pinguin“ vom Oktober 1950 mit einem Fotoartikel über den ehemaligen Reichsluftfahrtminister Hermann Göring bei einer Truppenbesichtigung. Der mit dem „x“ gekennzeichnete Soldat ist Herbert Wisotzki. Merkwürdigerweise ist hier von einer Truppenbesichtigung 1943 in Italien die Rede. Vielleicht ein Irrtum der Redaktion oder aber Wisotzkis Einheit wurde nach der Kapitulation Italiens und der anschließenden Besetzung durch die Wehrmacht im September 1943 dorthin verlegt. Über den genuss- und prunksüchtigen Hermann Göring, der auch Preußischer Ministerpräsident war, kursierte jedenfalls in Berlin die Umdichtung eines Liedes von Claire Waldoff : „Rechts Lametta, links Lametta und der Bauch wird immer fetta und in Preußen ist er Meester – Hermann heeßt er“.

Wisotzki verdiente sich als Soldat etliche Auszeichnungen wie EK I, EK II, Frontflugspange usw. Wie für alle jungen Männer dieser Generation war die Soldatenzeit und der Krieg d a s prägende Ereignis seines Lebens. Darüber legt ein offizielles Wehrmachts-Fotoalbum mit dem Titel „Mein Wehrdienst“ beredtes Zeugnis ab. Bezeichnenderweise endet es mit einigen Fotos von Soldatenfriedhöfen. Das alles wiederzugeben, würde allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Am 19.02.1944 gab es eine Kriegshochzeit, Herbert Wisotzki heiratete Hilde Brüderle, die er an seinem Standort Neuburg kennengelernt hatte und noch im gleichen Jahr wurde Tochter Gerda geboren. Bei Kriegsende geriet er in Gefangenschaft und wurde am 21.8.1945 entlassen.

Die junge Familie zog dann nach Salzgitter-Barum und Herbert ging ab dem 1. Januar 1946 in den Polizeidienst des Landes Braunschweig als „Anwärter der Landespolizei“. Im November übernahm er den Landpolizeiposten Barum im Dienstgrad eines Polizeiwachtmeisters. So begann eine typische Polizeikarriere, die ihn 1953 zum Hauptwachtmeister, 1955 zum Polizeimeister und schließlich zum Polizeihauptmeister machte. 1954 bestand er die Prüfung zum Polizeidiensthundführer und bekam den Polizeihund „Benno Piratenblut“ zur Unterstützung zugewiesen.

Sein Sohn Norbert wurde 1946 geboren und 1948 seine Tochter Brigitte. Am 10.08.1949 versetzte man ihn nach Bevenrode an den neu geschaffenen Polizei-Posten und somit war er Bevenrodes erster und einziger Polizist, gern auch „Dorfsheriff“ genannt. Waggum und Bienrode gehörten ebenfalls zu seinem Bereich.

Der Landkreis Braunschweig hatte damals 73 316 Einwohner, der Polizei-Abschnitt Braunschweig-Landkreis hatte seinen Sitz in Wenden und verfügte über 66 Polizeibeamte. Die Bevölkerung war durchaus nicht homogen, sondern durch die Kriegswirren bunt durcheinander gewürfelt: 38 237 Einheimische, 26 494 Flüchtlinge, 8 439 Evakuierte, 146 Ausländer.

Die Familie Wisotzki bezog das Untergeschoss im Haus Grasseler Straße 62 , im Obergeschoss wohnte die Familie Kraul/ Meyer. Wie alle anderen Häuser war auch dieses durch die hohe Zahl von Flüchtlingen und Evakuierten überbelegt, deshalb wurde das Wohnzimmer durch den Eigentümer Dr. Sattler derart umgebaut, dass es gleichzeitig als Dienstzimmer zu nutzen war.

Das erste Dienstfahrzeug war ein Zündapp-Moped, das zweite eine BMW – Isetta, im Volksmund auch „Schlaglochsuchgerät“ genannt, weil man mit den 4 Fahrspuren gegenüber üblicherweise 2 praktisch kein Schlagloch in der Fahrbahn verpassen konnte.

Für seine Kinder richtete Herbert einen Federball-Spielplatz auf dem Hof ein, der auch von anderen Kindern genutzt werden durfte.

Das Dorf, das er vorfand, war zwar nur ein Drittel so groß wie heute, aber es gab damals noch zwei Einkaufsläden, zwei Gaststätten, eine Bäckerei, einen Dorfschmied, eine Poststelle, eine Tischlerei, eine Schule und eine Gärtnerei. Regelmäßig wurden Feste gefeiert, an denen das ganze Dorf teilnahm, wie das Volksfest oder der Vatertag, also ein ziemlich buntes Leben und Treiben.

Über seinen polizeilichen Alltag in Bevenrode sind zwei Anekdoten im Umlauf: Die eine besagt, dass, wenn es bei den Dorffesten am Ende zu den üblichen Keilereien kam und der Polizist gerufen wurde, er sein Einschreiten solange hinauszögerte, bis sich alle ohnehin wieder vertragen hatten. Sicherlich eine weise Entscheidung. Die andere erzählt von einem Vorfall im Jahr 1956, als ein Bevenroder Bauer seinen Hof nicht räumen wollte, obwohl der Käufer , der im Rahmen einer Zwangsversteigerung neuer Eigentümer geworden war, mit Familie, Vieh und Maschinen bereits vor der Tür stand. Der Polizist musste den Bauern, der sich hinter seiner Haustür mit einem Knüppel in der Hand verschanzt hatte, mit taktischem Geschick und Hinweis auf seine Amtsgewalt mühsam zur Aufgabe überreden.

Seinen persönlich schlimmsten Einsatz hatte Wisotzki jedoch bei einem Bevenroder Verkehrsunfall im September 1955, bei dem seine eigene Tochter Gerda im Alter von 11 Jahren ums Leben kam.

Mitte der 60er Jahre wurde der Polizei-Posten Bevenrode aufgelöst und die Familie Wisotzki zog nach Bienrode. Der neue Arbeitsplatz war nun die Polizeidienststelle in Wenden. Als Polizeihauptmeister wurde er am 30.9.1974 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt.

Leider war ihm danach nur noch eine kurze Zeit beschieden: er starb schon am 10.1.1975 im Alter von 52 Jahren.

Zu seinem Gedenken: am 28.April 2022 wäre Herbert Wisotzki 100 Jahre alt geworden.

Heiner Waßmuß, Heimatpfleger in Bevenrode