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Wo nicht nur die Flöte ertönte...
Am
vergangenen Mittwoch war es wieder so weit. Renate Balke
erzählte Märchen, Volksmärchen, die auf Überlieferung
beruhen, und ein Kunstmärchen, bei dem ein Verfasser bekannt
ist, zur Auflockerung, am Schluss. Und wie immer war die
Waggumer, nicht Waggum'r, Bücherei rappelvoll, zumeist alte
Kunden, die, einmal infiziert, immer wieder kommen. Es ist
eine schöne Tradition dieser Einrichtung, von Ilse Fuhrmann
moderiert, zu Beginn der Adventszeit eine solche
Veranstaltung durchzuführen, auch, weil hinterher noch
Gelegenheit zum Gespräch mit Punsch oder Tee geboten wird.
Aber die Hauptsache sind natürlich die Märchen. Und wenn sie
so erzählt werden, nicht gelesen, wie Renate Balke es kann,
dann ist es auch ein Fest für die Sinne. Und für die
Imagination, wenn man sich vorstellt, wie die Figuren des
Märchens in den jeweiligen Situationen agieren, was für
Charaktere sie haben, immer unkompliziert und typengerecht,
wie sie wohl ausgesehen haben mögen, usw..
Da gab es die Prinzessin, die vor lauter Langeweile etwas
besitzen wollte, was dem Schweinehirten ihres Vaters
gehörte. Diese Etwas konnte "oh du lieber Augustin"
spielen , das einzige Lied, das sie selber auch auf einem
Instrument beherrschte, und den Preis, 10 Küsse, die der
Schweinehirt, der in Wirklichkeit ein Prinz war, dafür
verlangte, schließlich auch, sicher nicht unwillig,
bezahlte. Und in einer zweiten Runde unbedingt wissen
wollte, was in den Kochtöpfen der Stadt am Tag gekocht
würde, und dafür sogar 100 Küsse akzeptierte, aber nur 87
geben konnte, weil ihr Vater, der Kaiser, sie aus dem Palast
warf. Und den Schweinehirten dazu.
Und einen Helden, der alle besiegt hatte und unsterblich
werden wollte, aber dem extra für ihn angefertigten
Instrument keinen Ton entlocken konnte, bis er, zur
Selbsterkenntnis befähigt durch den Tod seiner Söhne bei
einem Kampf , sein Tun in Frage stellen konnte.
Es sind immer einfache Wahrheiten, die in den Märchen
thematisiert werden, und die uneingeschränkt heute noch
gültig sind, allen Verstößen dagegen im Weltgeschehen zum
Trotz.
Und da waren noch die Töne, die Renate Balke als
Zwischenmusik den unterschiedlichsten Klangkörpern
entlockte. Töne, die eine Atmosphäre zauberten, die
einerseits den i-Punkt auf das gerade erzählte Märchen
setzte und andererseits die Spannung auf das nächste
Märchen erzeugte.
Der große Applaus am Ende war hoch verdient. Ihre Kunst wird
auch andernorts geschätzt, und sie wird vor Weihnachten noch
ein Pensum zu bewältigen haben, bevor wieder Ruhe einkehrt.
Gut, dass wir sie hier im Stadtnordosten haben.
K.N.
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